Eine junge Frau arbeitet im Kontrollraum des DOW-Werks Stade
EWE business Magazin

Flexibilitäten vermarkten

Wie Sie die Energiewende voranbringen und dabei verdienen

EWE business Magazin / Virtuelles Kraftwerk / Flexibilität vermarkten
Stromdirektvermarktung
Klimaneutralität & Energie
06.12.2021  5 Min.
Autor: Team EWE business

Flexibilitätsvermarktung – ein Gewinn für Sie und die Umwelt

Wie Unternehmen gewinnbringend zur Stabilisierung des grüner werdenden Stromnetzes und damit zur Energiewende beitragen

Der Einstieg in die Flexibilitätsvermarktung bietet Unternehmen die Chance, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten und gleichzeitig Erlöse zu generieren. In vielen Betrieben lassen sich dafür sogenannte ungenutzte Flexibilitäten finden. Beispielprojekte zeigen, wie es funktioniert.

 

Gäbe es auf dem Strommarkt eine Wahl zum Wort des Jahres, dann hätte „Flexibilität“ gute Chancen, diesen Wettbewerb zu gewinnen. Denn die Forderung nach Flexibilität ist derzeit eines der Haupt-Themen, die die Branche im Zusammenhang mit den Herausforderungen der Energiewende beschäftigt. Warum? Vereinfacht gesagt, weil die Energie im Stromnetz zunehmend aus volatilen erneuerbaren Energiequellen stammt: aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Der Strom aus Wind und Sonne wird unabhängig von der Nachfrage produziert, nämlich dann, wenn der Wind weht und die Sonne scheint.

 

Die Folge: Mit dem wachsenden Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien im Strommix kommt es zwangsläufig zu höheren Schwankungen von Verbrauch und Erzeugung im Netz. Manchmal wird zu viel Strom für die Nachfrage produziert, manchmal zu wenig. Damit die Stromversorgung in Deutschland trotzdem zuverlässig bleibt, überwachen die Netzbetreiber das Netz genau und gleichen – wenn nötig – Angebot und Nachfrage aus. Stellschrauben, mit denen sie das Netz stabil halten, sind unter anderem Flexibilitäten in Stromerzeugung, -verbrauch und -speicherung, die die Industrie dafür bereitstellt. So können selbst energieintensive Unternehmen mit dem Einsatz ihrer Flexibilitäten die Stabilisierung des immer grüner werdenden Stromnetzes unterstützen und einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.

 

Ein Blockheizkraftwerk, an dem ein Mitarbeiter vorbeiläuft
Bild: EWE

 

Welche Flexibilitäten können zur Vermarktung genutzt werden?

Die Palette an Flexibilitäten, die für diesen Ausgleichsprozess infrage kommen, ist groß. Sie reicht von der Eigenerzeugung von Strom über flexibel zu- und abschaltbare Stromverbraucher bis hin zu Stromspeichern. Je nach Bedarf im öffentlichen Stromnetz können diese dann eingesetzt werden. Fehlt beispielsweise Energie im Netz, lässt sich mit einem unternehmenseigenen Blockheizkraftwerk mehr Strom als benötigt produzieren und einspeisen. Aber auch Stromverbraucher lassen sich einbinden: Ist zum Beispiel gerade zu wenig Wind- und Solarstrom im Netz, können dies flexibel in der Leistung herunterfahrbare industrielle Anlagen ausgleichen. Ein Beispiel wären etwa hochmoderne Lüftungsanlagen, die bei einer verringerten Einspeisung ins Netz kurzzeitig ihre Leistung absenken. Nicht zuletzt können auch Batteriespeicher als Energiepuffer eingebunden werden, indem sie je nach Bedarf Strom bei Überangebot aufnehmen bzw. bei geringerem Angebot ausspeichern.

 

Energieprofis finden individuelle Flexibilitäten für ein stabiles Stromnetz

Welche Flexibilitäten sich zur Vermarktung am Regelenergiemarkt und an der Strombörse nutzen lassen, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Ohne Vorkenntnisse das volle Nutzungspotenzial der firmeneigenen Anlagen zu erkennen, gestaltet sich daher oft schwierig. Auch die Installation der für die Flexibilitätsvermarktung notwendigen IT-Vernetzung können viele Unternehmen nicht leisten. Es ist daher sinnvoll, sich einen am Strommarkt erfahrenen Partner wie EWE an die Seite zu holen, der diese Aufgabe übernimmt. Als großer Energieversorger besitzt EWE das notwendige Know-how und die Vermarktungskompetenz, um Unternehmen die Bereitstellung bisher ungenutzter Flexibilitäten zu ermöglichen.

 

Dazu analysieren die EWE-Experten zunächst die individuellen betrieblichen Rahmenbedingungen. Das Ziel: mögliche Flexibilitäten in den Produktionsprozessen identifizieren und Spielräume für deren Einbindung ins Stromsystem erarbeiten. Ist ein stimmiges und wirtschaftlich passendes Konzept gefunden, werden die Anlagen vernetzt und mit einer intelligenten Steuerung versehen. Um am Markt für Regelenergie oder am Intraday-Markt agieren zu können, kommen die Anlagen in einen größeren Pool. In diesem, auch virtuelles oder grünes Kraftwerk genannten, Verbund sind viele Einzelanlagen unterschiedlicher Leistung zusammengeschaltet. So können die vielen kleineren Anlagen als ein großer Marktteilnehmer agieren.

 

Betriebssicherheit hat stets Vorrang

Es besteht immer die Möglichkeit für das Unternehmen, manuell einzugreifen, sollte einmal ein untypischer betrieblicher Einsatzbedarf der Anlage bestehen. Damit ist gewährleistet, dass das Unternehmen jederzeit voll handlungsfähig bleibt.

 

Ein Mitarbeiter prüft das Blockheizkraftwerk
Bild: EWE

 

Beispielprojekte für Flexibilitätsvermarktung mit Vorbildcharakter

Nachhaltige und sinnvolle Lösungen der Flexibilitätsvermarktung tragen aber nicht nur zur Stabilisierung des zunehmend grüneren Stromnetzes bei, sondern ermöglichen es dem Unternehmen auch, Erlöse zu generieren. EWE hat bereits zahlreiche solcher Konzepte gemeinsam mit Geschäftskunden erfolgreich umgesetzt. Hier zwei Projekte aus dem Bereich des virtuellen EWE-Kraftwerks, die exemplarisch aufzeigen, welches Potenzial in der Flexibilitätsvermarktung steckt:

 

Wie das Dow-Werk in Stade die Netzstabilität unterstützt

Dow ist eines der wichtigsten amerikanischen Chemieunternehmen. Im niedersächsischen Stade betreibt das Unternehmen ein Werk, in dem jährlich rund vier Millionen Tonnen Grund- und Spezialchemikalien hergestellt werden. Als einer der größten Energieverbraucher in Deutschland hat es sich Dow zur Aufgabe gemacht, kontinuierlich Verbesserungen in Sachen Ressourcen- und Umweltschutz vorzunehmen und neue Energie-Wege zu beschreiten. Ein weiterer Schritt auf diesem Weg zu mehr Klimaschutz konnte nun gemeinsam mit EWE gegangen werden. Mit dem Vertrauen aus einer jahrelangen Zusammenarbeit überließ es Dow den Energiefachleuten von EWE, Flexibilitäten im Werk in Stade für die Stromnetz-Stabilisierung zu finden, und zwar ohne dabei die bewährten Abläufe zu stören.

 

Das Ergebnis: Das unternehmenseigene Kraftwerk ist jetzt Teil des grünen Kraftwerks. Es wird von einem Handelsalgorithmus gesteuert. Dadurch nimmt das Dow-Werk am Flexibilitätsmarkt teil und erwirtschaftet Erlöse, weil sich der Einsatz des Kraftwerks nach dem Strompreis richtet. Zudem wird ein Teil der energieintensiven Chlor-Elektrolyse-Anlage als abschaltbare Last vermarktet. Beide Maßnahmen senken die Energiekosten und erhöhen damit die Wirtschaftlichkeit des Standorts.

 

Eine Industrieanlage im Winter
Bild: EWE

 

Wie die Papier- und Kartonfabrik Varel CO2 und Energiekosten einspart

Nachhaltige Verpackungen aus Papier und Karton herzustellen – das hat sich die Papier- und Kartonfabrik Varel auf die Fahnen geschrieben. Das Unternehmen produziert in einem eigenen erdgasbetriebenen Kraftwerkspark genügend Energie, um sich selbst zu versorgen. Um Wege zu einer klimaschonenderen Energieversorgung auszuloten beauftragte die PKV unter anderem EWE. Eine derzeit erprobte Lösung fand sich in einem Power-to-Heat-Modul, das in die Dampferzeugungs- und Kraftwerksprozesse der Papierfabrik integriert wurde. Es entnimmt in Zeiten, in denen sich eine Überlastung des Stromnetzes andeutet, Strom aus dem Netz und wandelt diesen in Wärme um. Die Technologie ist in der Lage, schnell und flexibel auf die fluktuierende Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien zu reagieren. Beste Voraussetzungen also, um Teil des grünen Kraftwerks von EWE zu werden und als solches zur Stabilisierung des Stromnetzes beizutragen.

 

Ziel der PKV war es, das Power-to-Heat-Modul am Strommarkt zu Kosten des Erdgasmarktes zuzüglich eines Aufschlages zu betreiben um Erdgas gegen EE-Strom zu ersetzen. Außerdem ließ sich durch den deutlich geringeren Erdgasverbrauch aufgrund des Power-to-Heat-Moduls auch der CO2-Ausstoß der Industrieanlagen minimieren.

 

Die Vorteile der Flexibilitätsvermarktung

Das Bereitstellen von bisher ungenutzten Flexibilitäten bringt eine Vielzahl an Vorteilen:

  • Je mehr Unternehmen ihre Flexibilitäten in den Strommarkt einbinden, desto weniger müssen die Stromnetze ausgebaut werden – und desto weniger Kosten müssen auf die Netzentgelte umgelegt werden.
  • Das Vorhalten von Flexibilitäten kann eine Abschaltung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien verhindern.
  • Insgesamt lassen sich mehr erneuerbare Energien ins Stromnetz integrieren.
  • Auch Unternehmen mit hohem Strombedarf können einen großen Beitrag zur Energiewende leisten, CO2 minimieren und somit politische Forderungen erfüllen.
  • Durch eine Flexibilitätsvermarktung lassen sich Erlöse generieren.
  • Die Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz wirkt sich positiv auf das Image des Unternehmens aus.

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